8 - Grundfragen des Notwehrrechts [ID:195]
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Meine Damen und Herren, die Verteidigung des Rechts gegen das Unrecht ist normalerweise

Aufgabe des Staates.

Die vermutlich wichtigste Funktion des Staates überhaupt besteht darin, die Sicherheit seiner

Bürger zu gewährleisten.

Zu diesem Zweck stellt eine leistungsfähige Polizei zur Verfügung, die gewalttätigen

Rechtsbrechern notfalls mit der erforderlichen Gegengewalt entgegentritt.

Damit entfallen zugleich Anreiz und Notwendigkeit für den Einzelnen, sein Recht selbst in die

Hand zu nehmen und seine berechtigten Interessen durch eigene Gewaltanwendung durchzusetzen.

Wird jemand aktuell zum Opfer eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs, etwa bei einem Raubüberfall

der Straße, auf der Straße oder in der Konfrontation mit einem Wohnungseinbrecher, dann ist die

Staatsgewalt typischerweise eben nicht zur Stelle und so vernichtender Lage, dem Bürger

den erforderlichen Schutz zu gewähren.

Wenn der staatliche Schutz gegenüber einer solchen akuten Bedrohung aber versagt, dann

kann der Staat und vom Bürger unmöglich verlangen, die Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter tatenlos

hinzunehmen.

Eine gesetzliche Anerkennung dieses natürlichen Rechts auf Selbstverteidigung, wie ich es mal

nennen will, findet sich in § 32 Strafgesetzbuch.

Inhaltsgleiche Vorschriften finden Sie auch im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Attungswidrigkeitenrecht.

Wir werden bei den folgenden Überlegungen von der strafrechtlichen Notwehrbestimmung

ausgehen, § 32, und wollen uns zunächst mal deren Wortlaut betrachten.

§ 32 sagt also, wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht

rechtswidrig.

Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen

Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Und unter gleichem Anblick auf den § 33 werfen ist die Notwehrüberschreitung.

Da heißt es, überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht

oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Die in diesem § 32 verankerten gesetzlichen Voraussetzungen des Notwehrrechts markieren,

wenn Sie so wollen, die Grenze zwischen legitimer Selbstverteidigung und verbotener Selbstjustiz.

§ 32 Absatz 1 sagt, wenn eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht

rechtswidrig.

Nicht rechtswidrig bedeutet, dass die Ausübung des Notwehrrechts bei Einhaltung der gesetzlichen

Voraussetzungen ein gutes Recht des Betroffenen darstellt.

Es ist nicht etwa so, dass man in solchen Fällen nur auf eine Bestrafung verzichten

würde, dass dem Ganzen aber trotzdem noch ein sowohl rechtlicher Makel anhaften würde.

Wer rechtmäßige Notwehr ausübt, handelt vielmehr mit voller Willigung der Rechtsordnung.

Anders liegen die Dinge etwa bei § 33, den Sie eben auch kennengelernt haben, bei der

Notwehrüberschreitung.

Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus bestimmten Gründen, nämlich aus Verwirrung,

Furcht oder Schrecken, dann wird er ebenfalls nicht bestraft.

Ein Beispiel dafür wäre etwa, wenn das Opfer eines tätlichen Angriffs die körperlichen

Kräfteverhältnisse falsch einschätzt, deshalb übersieht, dass er dem Angreifer eigentlich

körperlich überlegen ist, sodass er sich problemlos mit dem Fäusten wehren kann, in

Panik gerät aus Angst, eben zu Messer greift, weil er in seiner übersteigerten Angst annimmt,

er könne sich nur auf diese Weise erfolgreich zur Wehr setzen.

In diesem Fall würde eine Rechtfertigung nach § 32 daran scheitern, dass diese Art

der Verteidigung nicht erforderlich wäre.

Wenn diese Überschreitung der Notwehrgrenzen auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken beruht,

wird er trotzdem nicht bestraft.

In diesem Fall heißt das allerdings nicht, dass er mit Billigung der Rechtsordnung handeln

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Volker Erb Prof. Dr. Volker Erb

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:46 Min

Aufnahmedatum

2002-01-17

Hochgeladen am

2018-06-21 11:50:53

Sprache

de-DE

Gegenstand des Vortrags: Der Vortrag gibt einen Überblick über das Recht der Notwehr, das im vergangenen Jahr den Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des Referenten bildete. Das Recht des einzelnen, sich gegen akute rechtswidrige Übergriffe effektiv wehren zu dürfen, entspricht einem menschlichen Grundbedürfnis. Seine grundsätzliche Anerkennung ist deshalb für jede Rechtsordnung eine unabdingbare Notwendigkeit. Dem Gesetz kommt dabei die Aufgabe zu, die Grenzen zwischen der legitimen Ausübung dieses Rechts und verbotener Selbstjustiz zu bestimmen. Im deutschen Strafgesetzbuch geschieht dies durch § 32, wonach die Begehung einer Tat im Extremfall bis hin zur Tötung des Angreifers im wesentlichen unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt (d.h. ausdrücklich erlaubt) ist.

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